Erleuchtung, Sex und Träume: Alles, bloß nicht kochen.
Man muss mich nicht anbrüllen, um mir Gefühle abzuringen. Mit den Gefühlen ist es aber seltsam. Früher wusste ich tatsächlich nicht, was genau Gefühle sind. Ich dachte, es wären unangenehme Gedanken und Vorstellungen. Vorstellungen von einer blöden Zukunft z. B. oder Erinnerungen an eine schreckliche Vergangenheit. Meine Reaktionen darauf waren vielmehr mental, sowas wie, scheiße, ist das schrecklich, also eher eine Art Kommentar auf das Geschehene oder zu Erwartende. Gefühle, habe ich gelernt, finden im Körper statt – das war wirklich eine überraschende Erkenntnis. Fortan wurde alles gefühlt – der große Zeh, der Augapfel, die Stelle, auf der der Hintern den Sitzplatz berührt, das corpus callosum, später die Zirbeldrüse. Jetzt kann ich alles fühlen bis auf die mittleren Zehen, ich weiß nicht, wo die im Dunkeln zu orten sind, und warum nicht. Wenn ich reinkneife oder sie bewege, spür ich sie doch!
Ist Liebe ein körperliches Gefühl, ich mein jetzt nicht Sex, oder eher ein mentales? Kommt Freude aus der Betrachtung der schönen Dinge, ist das Schönheitsgefühl wirklich ein Gefühl? Oder eher ein Wissen um Schönheit? Wenn eine geliebte Farbe das Auge erregt – wo spürt man das? Im Augapfel? Im Gehirn? Wo im Körper findet Trauer statt? Krampft sich das Herz zusammen? Oder fließen die Tränen direkt aus dem Geist bei der Vorstellung, dass der Tote ein falsches Leben geführt, oder an einer Krankheit gelitten haben könnte? Wo findet es statt, das vermeintlich falsche, das Urteil der Schlimmheit? Wo entsteht Hass.
Massagen sind schön und sehr körperlich, oder wie die Sonne warm auf den Körper scheint. Wie eine nah vorbeifliegende Hummel Gänsehaut erzeugt oder ein kühler Wind. Wie das Meer duftet und sich der Brustkorb weitet beim Atmen, wie ein Keks im Mund zerbröselt und ein Getränk die Speiseröhre entlangfällt.
Ein Freund trennte die Begrifflichkeit in zwei: Gefühl und Empfindung. Letztes weit subtiler gegenüber dem ersten. Eine Empfindung von Schönheit. Ein Empfinden von Liebe. Hingegen:
Das Gefühl von Lust und Händen auf dem eigenen Körper. In der Hand Teilgefühle des anderen Körpers, des ihren, ja – ich kann meine Gedanken von ihr nicht lassen, früher waren es die Hände. Je Hand nur ein handgroßer Gefühlsteil. Dann mit dem gesamten Körper näher, Beine legen sich ineinander, Bauch und Brust nähern sich, Münder, erst die Wärme, dann die Haut, auf den Rückseiten vielleicht Hände auf Schulterblättern, Taille oder Po, wenn sie nicht vorn mit dabei sind und noch mehr fühlen wollen.
Diese Gefühle waren real für mich, alles andere, was sie von mir wissen oder haben wollte, gab es nicht, weil es nicht spürbar war.