Erleuchtung, Sex und Träume: Alles, bloß nicht kochen.
Montag, 16. Juni 2014
Ein endloser Schwall von Wörtern, kaum so artikuliert, dass man Lust dran haben könnte, aus dem Munde der Tischnachbarin, worin ich nicht eintauchen möchte, weil ich selbst mit einer Geschichte beschäftigt bin, nicht der meinen, sondern einer fremden Buch-Welt, immerhin weit faszinierender und aktueller als die Langweiligkeiten, die mich erreichen, es sind ja auch bloß zwei Meter, ich will nicht zuhören müssen, sie zwingt mich dennoch, das Monotone in ihrer Stimme ist bemerkenswert übergriffig.
Zeit für eine weitere philosophische Erörterung über Schallwellen, über den Klang, aus dem die Welt gemacht ist? Nein, lass mich hier sitzen bei Kaffee und Gebäck, die Sonne im Gesicht und das Buch in der Hand, in dem ich von Zeit zu Zeit eine Seite umschlage, seinen Spuren zu folgen, durch frostige Welten und über unwegsame Gletscher, eine Flucht vor Unstimmigkeiten und Intrigen, die Nacht durchgelesen und am Ende, heute Morgen, dann das Ankommen. Von Freundschaft gelesen und einer besseren, weil erweiterten Welt.



Mittwoch, 4. Juni 2014
Den ganzen Tag war es arschkalt, wir saßen draußen und aßen und tranken und feierten. Am Nachmittag machten wir endlich ein Lagerfeuer, wir die jungen, zu denen ich mich auch zählte. Die Erwachsenen, zu denen ich eigentlich gehörte, saßen mittlerweile drin bei Kaffee und Kuchen. Sie sprachen über ihre Berufe, über Politik, wahrscheinlich, Kunst oder über Tierhaltung und Veganismus. All sowas. Ich kann's schon nicht mehr hören.
Das Feuer im Steinrund wärmte. Dein Bruder betrank sich, die erste Erlaubnis und war dabei ziemlich lustig. Er sagte etwas verblüffend Wahrhaftiges, ich hab leider den Zusammenhang vergessen, aber es berührte und erstaunte uns, er hätte seitdem nicht mehr deswegen weinen müssen.
Von dir konnte ich meinen Blick nicht lassen. Von deiner Gestalt und deinem Gesicht. Du hast dich mir gezeigt, schau mal, steht mir das Hemd, und drehtest dich vor mir. Du bist schlank geworden, der Sport tut dir gut. Meine Bewunderung für dich ist heimlich. Niemand wird merken, wie sehr ich dich mag. Ich könnte dieses Gefühl kaum erklären, in meinem Herz ist es Licht und ewig. Es gibt keinerlei Handlung, die es zum Ausdruck brächte.
Wir sitzen noch am Feuer, die Gäste sind schon längst gegangen, reden über Filme, die wir vor Jahren gemeinsam gesehen haben, als du eigentlich zu jung dafür warst. Du überraschst mich mit deiner Sicht der Welt, der meinen sehr ähnlich.
Langsam fällt deine Attitüde ab, die der Lässigkeit und coolen Sprüche. Als wir uns voneinander verabschieden, neigen wir uns zu in der Umarmung. Wie leicht ich dich gehen lasse.



Freitag, 30. Mai 2014
¶ Angst
Da ist immer noch so viel Angst im Körper. Ich frag mich, wessen Angst das ist. Manchmal fange ich Stimmungen und Gefühle von Menschen auf, nicht mal besonders nah sind sie mir. Da stehe ich an einer Kasse im Laden, um ein paar unverfängliche Dinge zu bezahlen und plötzlich ist da ein Schwall tiefer Depression. Die Verkäuferin zum Beispiel, die mit schlapper Stimme ich komm sofort ruft, ich beobachte sie, sie prüft etwas mir sehr unwichtig erscheinendes im Regal anhand einer Liste, danach bewegt sich ihr grober Körper in meine Richtung, klemmt sich hinter die Kasse, steckt einen Schlüssel ein und dreht ihn im Schloss. Ich will bloß etwas Textilfarbe kaufen, schwarz für meine depressiven Hoodies, aber die sind bei weitem nicht so deprimierend wie sie – was mich so fertig macht, ist was anderes. Ich bekomme einen Cent Rückgeld und wie sie mir die schmutzige Münze gemeinsam mit dem Kassenbon in die Hand drückt und mich dabei mit einem matten Blick streift. Dazu regnet es draußen, dieser Regen, der den ganzen Tag nicht aufhört und die Frau in Drogeriekitteluniform passt nicht in diese, es ist ein langweiliges Scheißleben, das sie abstrahlt, den ganzen Arbeitstag zwischen den Drogerieartikeln rumstehen, sicher alle mit Nanoplastikkügelchen und Aluminium versetzt, und es riecht nach Unnatürlichem, der Fußboden aus grauen Platten, leicht abwischbar, aber sicherlich weniger hygienisch als man denken mag.
Das dumpfe Gefühl in mir ist so überwältigend, was ist das jetzt schon wieder? schnellt mir durch den Kopf, das kann doch unmöglich mir gehören!
Ich packe mein Gut so schnell wie's geht in den Rucksack, der ist neu und die Taschen und Reißverschlüsse sind mir noch nicht geläufig und so dauert es seine Zeit und immer noch schwappt alles Schlechte dieser Welt, wie's mir scheinen mag, auf mich drauf, noch einen Blick in ihr Gesicht, trübe Haut, ebenso farblose Augen und endlich geht die Tür vor mir auf und ich bin draußen mit meinen ehemals fröhlichen Gedanken an ein cooles pechschwarzes Hoodie.
Das wir mir immer mehr klar – als wäre da draußen etwas, das dich von Zeit zu Zeit anfällt, je nach Stärke oder Schwäche des eigenen Signals stärker oder schwächer, als schwebten die Gefühlsqualitäten im Raum herum, in der akasha, und du musst sie bloß annehmen, mit Hilfe aller Sensoren, die ja unsere fünf Sinne sind, aufsaugen, einnehmen, und am Ende klebt alles im Stofflichen des Körpers fest wie die Textilfarbpigmente, schwarz oder bunt, je nach Verfassung.
Das macht mir immer noch Angst. Ich will das besser unterscheiden lernen.
Was, wenn sowieso gar nichts von von einem selbst käme, sondern alles von außen, von den Anderen.
Und, was wenn es die anderen gar nicht gäbe.



Dienstag, 20. Mai 2014
Bevor ich mich an die Steuererklärung mache, schreibe ich etwas. Zur Klärung der Gedanken, die seit gestern etwas außer Kontrolle geraten sind. Über Menschen, die aus dem Nichts heraus von unerklärlichen Krankheiten überfallen werden.
Also, wir nähern uns da. Unerklärliche Krankheiten – ungeklärte Gedanken. Sind beide das Gleiche?
Der Körper kann doch nur so wie der Geist, der ihn erschafft. Kein Wunder – wenn hier die Kontrolle fehlt, hier im Geist, im engeren Umfeld des energetischen Gebildes aus Nerven, deren unsichtbare Wurzeln in der Welt liegen, was für ein schönes Bild.
Gedanken klar machen, Nerven freiräumen, Steuern erklären.
Also los.



Montag, 19. Mai 2014
¶ Lauter
Vorgestern wäre, hätte ich weitergeschrieben, noch ein Feuerwerk zu bemerken gewesen, dessen Licht die Wolken von unten bunt machte, rot oder grün, im Kontrast zur bläulich durchscheinenden Negativform des Himmels. Schwall um Schwall in Lautstärke und Begeisterung ansteigende Stimmen, männlich, mit Lachen gemischt. Singen dann. Jemand, der sich mit einem kurzen, noch lauteren Ton beschwert, darauf erst ein Stilletal, gefolgt von aufsässigem Gejohle.
Ich mochte die kleine erstaunte Ruhe, die unter den Männern eintrat. Beinahe lachhaft.
Ich schloss ich die Fenster, um meine Ruhe zu haben.



Montag, 28. April 2014
Vielleicht leide ich nicht genügend. Vielleicht ist nur das Weltliteratur, was unter Tränen hervorgestammelt und mit Schmerzen rausgeschrieen wird und nur jenes interessant, das dem Leser Gänsehaut verursacht und ihn einsam und ratlos zurücklässt. Ich hab nichts zu schreiben über Alkohol- oder Drogenexzesse, habe keine ungewollten Kinder in die Welt gesetzt, die mich jetzt hassen, weil ich mit der Elternrolle haderte, oder weil ich ihnen meine Traumata aufhalse. Ich bin einfach ein friedlicher Mensch, der versucht, anderen nicht unnötig auf den Wecker zu gehen.
Ich für meinen Teil liebe Texte, die das Herz erheben und mich freudig in ihre Schlupflöcher aufnehmen, welche dem Rest der Welt verborgen bleiben. Solche Schlupflöcher nämlich sind nach innen offen und weit und licht und bieten phantastische geistige Landschaften und Weisheiten.
Nicht wie P., – wer ist eigentlich P., in zehn Jahren weiß ich nicht mal mehr, von wem die Rede war – der 'ne Menge erleuchtete Coolness daraus zieht, über in fünf Promille getränktes Bewusstsein ins Mikro zu lesen und Szenen zu beschreiben, die dann auch nicht interessanter sind als bei null komma acht.
Bleibt mir nur, über eine verflossene Liebe zu schreiben, die einzige, mit der ich mich gut auskenne, weil sie immer noch in jeder Zelle meines Körpers sitzt, es sind noch keine sieben Jahre her, also gibt es noch welche, die sich erinnern und vollgesogen sind mit dem geronnenen Du, und nicht weggeh'n.



Freitag, 25. April 2014
¶ Real
Idee: Ein Land, in dem es verboten ist, für sich zu sein. Verboten, in den Himmel zu sehen, den Mond zu betrachten. Auf Strafe verfolgt, sich selbst Gutes zu tun. Ein Land, in dem Liebe und Aufmerksamkeit ausschließlich von anderen Menschen kommt. Es gibt keine Möglichkeit allein zu sein, niemals, jeder kommt ungefragt in das Zimmer der anderen und fängt sofort an draufloszureden. Das Redebedürfnis ist nämlich enorm, weil kein Problem allein bewältigt werden kann, eine Unfähigkeit still zu werden und jede Entscheidung erst von Anderen gut geheißen werden muss. Das Aussehen, die Eigenarten, die Nahrung: erst die Erlaubnis der Umwelt bringt Entspannung und Genuss in die alltäglichsten Handlungen, die allerdings nach Lust und Laune wieder entzogen werden kann. Willkür und Dummheit.
Reich mir die Butter, wie findest du meine Haare, soll ich den Partner wechseln, darf ich dies oder das.
Erst dann merke ich: Das ist doch schon Realität!



Sonntag, 13. April 2014
Mir ist zu Ohren gekommen, dass M. neuerdings auch satsang gibt, also, er hat es mir selbst erzählt, während ich nach dem Besuch von S.s Satsang auf dem Boden rumkroch und meine Sachen zusammensuchte. So von oben auf mich draufredet und mir versucht zu erklären, in welchem Stadtteil das stattfindet. Schuhe zubinden: weiter auf mein Scheitelchakra einreden. Interessanterweise wird er in 16 Ländern gesucht. Also, er würde gesucht werden, wenn er seine Aktivitäten nach außen verlegte. Drogenmissbrauch – jawoll, soeben habe ich mich verschrieben, nämlich Drogenmussbrauch – des weiteren Balkonanbau von psychogenen Pflanzen, eine Tendenz zu Kinderfickerei, schlechter Ernährung und Überdosierung von Pflegeprodukten.
Beim satsang sitzen Menschen in einer Gruppe rum und suchen die Wahrheit. Oder hoffen, dass die Wahrheit sie findet. Ich jedenfalls finde, dass M. sowas von untererleuchtet ist und Inhaber der bedeutendsten Psychomacken aller Zeiten. Jetzt stell ich mir vor, wie er, zum Lehrer aufgeschwungen, vor (oder über) den Rezipienten sitzt und sie vollquatscht.
Viele spirituell Suchende kommen aus der Drogenszene und ersetzen die eine Möglichkeit, ekstatische Erlebnisse zu haben mit der anderen. Wer sich so richtig schön high meditiert, dazu Atemanhalten oder andere Techniken praktiziert, der hat schon mal optische Erscheinungen oder tolle Gefühle im ganzen Körper. Dazu eine wirre Philosophie mit Einsprengseln von Carlos Castaneda, Jane Roberts, falsch verstandenem Tantra und was sonst noch so im Umlauf ist.
Mir war das rein technische Üben schon immer suspekt, also pranayama, asanas und so weiter, bloß um die Energie des Körpers zu erhöhen. Überhaupt die Energie; noch nie gab es so ein geschwurbelt-sinnentleertes Wort für, ehm, naja, irgendwas halt. Waahnsinn, die Energie hier! Pranayama und Asanas führen nicht zur Erleuchtung, soviel ist schon mal klar, tatsächlich aber zu Erfahrungen und plötzlichen Schlauheiten, die genauso durch den Konsum von Pflanzen induziert werden können. K. erzählte mal, er hätte Tagebücher voll brilliantester Welterkenntnisse, die er auf Pot schrieb, aber am nächsten Tag hat er nichts mehr davon kapiert. Hätte seine Ergüsse gern mal gelesen, war ihm aber ziemlich peinlich.



Donnerstag, 10. April 2014
Wer weiß schon, ob wer wirklich erleuchtet ist, aller Wahrheit nach ist alles bloß Fiktion. Vielleicht wissen es einige meiner Lehrer, aber nur einer von ihnen hat die verschiedenen samadhis erreicht. Glaube ich jedenfalls. Ich kann mich noch an so einen Gesprächsabend im Garten erinnern, der mit großartigem Drogenmissbrauch endete. Sowas törnt total ab. Wenn's nicht mehr um Sex geht, gehen immer noch Drogen rein, oder was. Ich selbst bin schon mein Leben lang clean. So'ne Art Nicht-Thema. Außerdem war mir das Geld zu schade.
Der Wunsch nach Ekstase ist nicht der gleiche wie der nach totaler Freiheit. Ich weiß selbst, wie süchtigmachend eine gute ekstatische Erfahrung ist. Beispielsweise beim Sex. Oder in der Natur. Davon bitte noch mehr, steht als Sinnspruch über jedem Bett, das nicht nur zum Schlafen da rumsteht. Oder über jedem anderen möglichen Ort ekstatischen Geschehens. Dieses bitte ist das Fatale. In diesem bitte steckt Hilflosigkeit und Angst. Auch wenn das bitte da nicht stünde, wär‘s trotzdem dasselbe.
Ekstase findet in der Zeit statt, Freiheit hingegen katapultiert dich aus allen Zusammenhängen raus. Für immer. Das ist die volle Wahrheit. Du stehst für immer draußen und gehörst nicht mehr zum alten Filmteam.
Ich habe gerade ein Buch zweier Autoren gelesen. Der eine ist der aus dem Garten, den anderen kannte ich noch nicht. Was der andere schrieb, hat mich umgehauen, das war so verdammt ehrlich, dass der sich das traut, dachte ich. Und trotzdem schrieb er ja bloß von dem, was ich auch kenne. So möchte ich auch schreiben, total offen. Deshalb habe ich auch die Kommentare abgestellt, die würden mich bloß ablenken. Da müsste ich dann wieder zurückkommentieren, erklären oder gar mich rechtfertigen und das macht keinen Spaß. Ich will nur mir gefallen. Die meisten verstehen sowieso nicht, worum es hier geht.