Erleuchtung, Sex und Träume: Alles, bloß nicht kochen.
Mittwoch, 9. Juli 2014
"Die Welt ist ein Ort des Widerspruchs. Hier geht alles zusammen, aber nichts einher. Hier wird die Liebe vom Hass begleitet, die Wahrheit von der Lüge. Der Grundlosigkeit stehen Gründe gegenüber und dem Wort das Widerwort. – Das ist einfach so, da ist nichts zu machen...
Aber genau das ist der einzige Grund, warum es sich so fatal auf uns auswirkt, wenn wir uns hier niederlassen und glauben, dass „die Realität der Welt“ unsere Realität ist. Die Realität der Welt zeigt mir, was mich von mir trennt [sic!]. Sie stellt mir alle Möglichkeiten vor. Hier geht Krieg ebenso wie Frieden und Harmonie, denn hier werden Unterscheidungen getroffen, die es nicht gibt..."


Daniel Herbst, Aus dem Einen – by itself



Samstag, 17. Mai 2014
¶ Jetzt
Rings um mein Haus wird gegrillt, ich bin allein mit mir. Sitze in der Küche, wo sich Geschirr stapelt und Essensreste, noch duftend. Solange es Erinnerungen gibt, werde ich schreiben. Wenn alles zu Ende ist, stehen hier nurmehr Worte.
Es geht hier nicht ums Sterben. Sondern darum, zu erkennen, dass die Gegenwart alles ist, was wir haben. Dort das Lachen eines Grillgastes, dazwischen eine kurze Zeile Amselgesang, weiter hinten Straßengeräusche, das Licht, das nach dem Sonnenuntergang die Küche erhellt, stetiger als die Amsel, die jetzt gerade wieder zwitschert, der Moment als Aneinanderreihung von einzelnen Momenten, unterlegt mit Duft, und immer noch dem Licht, das sich jetzt verändert zeigt, im Vergleich zum vergangenen Moment, als ich noch ein oder zwei Zeilen zuvor beschrieb, wie jenes Jetzt beschaffen ist.
Und der Körper, der mit seinen Sinnen wie Fühler es tun nach allen Seiten sich reckt, und all das Wahrgenommene für wahr nimmt. Was für eine unglaubliche Freude, dass das möglich ist.
Der Kühlschrank setzt mit seinem leisen Brummen ein und die benachbarten Grillgäste heben in einem gemeinsamem ansteigenden Gelächter imaginäre Gläser, die ich von hier hören kann, als sie aneinanderklirren.
Ab und zu weht ein kurzer Wind durch die Fenster, welche geöffnet, natürlich, dieses Hörspiel möglich machen. Da, neun Uhr läutet es dunkel herein, mit dem Wind gemeinsam, die Kapuze schirmt das empfindliche Ohr, noch heute Nachmittag war mir erkältet zumute, auch dieses Gefühl der Schwäche nur einige vergangene Momente lang, jetzt empfinde ich mich als gesund und den Himmel als rosarot, die Luft frisch mit einem Hauch gemähten Grases, das von der Holzkohle doch übertönt wird.
Nun gibt es auch Musik. Ich erkenne keine Melodie, aber was ich höre erinnert mich an Wuthering Heights von Kate Bush, wer hört heute noch Kate Bush auf Parties, jetzt steigen Erinnerungen auf, wenn ich ihnen nachgehe, werde ich aus dem Moment herausfallen.
Es wird dunkler, die nördliche Seite der Küche liegt schon schattig, hier am Fenster ist es lichter, und das Himmelrosa hat sich in ein Graublau verschoben. Die Amsel ruft, die Krähe auch, nur kurz, die Amsel wird weiter den Abend begleiten, auch die Gäste, die männlichen Stimmen werden deutlicher, wie schnell ein zwei Bier gekippt sind, während ich hier in der Küche sitze.
Ein Kissen unterm Hintern, darunter der Korbstuhl, die Füße auf der Bank. Der Abwasch noch immer unberührt.
Ich werde gleich aufstehen, das Geschirr waschen und noch ein wenig lauschen. Jetzt einloggen, den Text kopieren und ihn einfügen. Senden, ohne ihn nochmal gelesen zu haben.



Samstag, 10. Mai 2014
¶ Fragil
Ich wünschte, ich wäre ein Schriftsteller mit Schreibblockade.
Oder ein Architekt ohne Haus.
Ein Einradfahrer mit fehlendem Bein. Ein Liebhaber ohne Lust.
Ich hätte nichts zu tun, aber wäre wenigstens irgendwer. Ein Mensch mit einer Definition wäre ich. Mit einer Legitimation. So schaue ich nur.
Und sehe vor meinen Augen näher Kommendes. Schwarzes kristallines Nichts, näher, so nah, als berührte es meine Augäpfel, um sich schießlich mit ihnen zu vereinigen. Dabei leuchtet es und die Ränder meines Körpers verwischen, kaum noch lässt sich sagen, welche Größe und Form er besitzt, selbst der Besitz dieses Körpers ist fraglich.



Freitag, 2. Mai 2014
Ich frag mich, wieso die anderen sich sowas nicht fragen. In was für einem Universum sie zum Beispiel leben. Dass sie überhaupt leben. Als wäre es das Selbstverständlichste. Vielleicht ist es das auch und nur ich bin zu blöd das zu erkennen. Ich seh auf die Dinge um mich rum und frage mich, wieso sie nicht genau anders aussehen, zum Beispiel Autos; wie affig so ein mit Schnickschnack aufgemotzes Behältnis, wo man sich reinsetzt, um woanders hinzukommen. Wieso überhaupt dauernd woanders sein, die wahre Reise findet innen statt, oder, dann brauchst du auch so ein Vehikel nicht, aus Stahl und Blech und unter komplizierten Bedingungen einsatzbereit, so mit Benzin und vielleicht noch ein Navi dazu oder oben dann das Dach auf, toll, die Luft, versteh ich oft alles nicht, wenn ich wieder mal sitze und daran denke, dass ich mich mitten in einem Weltall befinde und hier auch nicht wegkomme.
Neben Sex sind solche Gedanken meine liebsten und auch grausamsten. Das unendliche Weltall, ich mein', da kann man schon mal leicht durchdrehen, wenn man hinter es sehen möchte, was aber wegen der verdammten Unendlichkeit gar nicht geht. Dann gleich weiter mit: wieso überhaupt etwas ist, na klar, wenn nichts wäre, würdest du's ja gar nicht merken.
Und dass Sex da immer noch so wichtig ist, wenn man sich mit Unendlichkeiten beschäftigt. Vielleicht nur zu verstehen als kleinste Einheit eines etwas länger zu habenden Wohlgefühls.
Ja, ja, inmitten eines unendlichen Universums, ich weiß.
Ich habe Alan Watts' Bücher früher schon gelesen, besaß einige, die ich zwischenzeitlich irrelevant fand und jetzt ärgere ich mich ein bisschen, dass ich sie abgegeben habe. Vielleicht finde ich sie auch bloß nicht. Jetzt lese ich "The Book", in englisch, die deutsche Übersetzung kostet zwischen 300 und 450 Euro oder so, wegen Vergriffenheit und hat den erstaunlichen Subtitel "On the Taboo Against Knowing Who You Are". Das hat mich echt umgehauen, nicht der Preis, sondern dass der Subtitel schon alles sagt: Es ist ein Taboo, sich selbst zu erkennen. Selbsterkenntnis überhaupt zu wollen.
Kranke Welt. Echt.



Dienstag, 15. April 2014
1. Tatsache ist eine der Eigenheit entsprechende Hoffnung.
2. Das ich bezieht alle Erscheinungen auf sich.
3. In der Freiheit beziehen sich die Erscheinungen nicht mehr auf ein ich.
Solche Sätze kommen manchmal an. Schnell den Stift gezückt, das Buch aufgeschlagen und drei Tage drüber nachgedacht. Erst ist das ich aktiv und wenn es loslässt, lassen auch die Erscheinungen los. Ehrlich, ich weiß nicht, was das bedeuten soll, ich hatte gehofft –
Also loslassen. Eine Art mentales Implantat verbietet mir anscheinend Experimente mit meinem eigenen Geist. Diese Verhinderung kommt mir tatsächlich so massiv vor wie ein Chip, ist aber wohl Erziehung und erfolgreicher Anpassung zuzuschreiben. Wie eine Mutter, die dem Kind die zwischen den Beinen versteckten Hände fortnimmt, so wird uns auch die Fähigkeit gestohlen, nach Innen zu gehen und mit dem eigenen Geist, oder nenn's Bewusstsein, Versuche anzustellen und auszuprobieren, was da eigentlich ist. Man beginnt, zurückzuschrecken vor der Tiefe, genauso wie ich damals vor den Gefühlen zurückgeschreckt bin, die sich zwischen meinen Schenkeln ausbreiteten, während ich mir das Büchlein mit Ausschnitten aus dem Garten der Lüste ansah, ohne im Entferntesten zu ahnen, was diese Gefühle waren. Sie irritierten mich und bedeuteten mir keine Lust. Was, wenn sie nicht mehr weggingen?
Heute kenne ich sie gut.



Freitag, 11. April 2014
¶ Karma
Ich arbeite in einem Labor, das sich mit der Pflege von Erscheinungen befasst. Die können von natürlicher oder künstlicher Art sein. Der Begriff Erscheinungen trifft's dabei nicht ganz, wie ich finde, man könnte sie auch Gestalten nennen oder Formen. Allerdings scheinen sie nur zu sein, deshalb ist Ersterer doch irgendwie passend. Man hat lange drüber nachgedacht, und die Mitarbeiterin mit dem hübschen Hintern ... naja, ist auch egal wie hübsch ihr Arsch ist, jedenfalls wurde ihr Vorschlag genommen. Erscheinungen, die zu sein scheinen, soso. Wer zum Fenster reinschaut, sieht uns hier sitzen und nichts tun. So scheint es jedenfalls.
Gerade wollte ich was über karma schreiben, also hab ich mich in Gedanken damit rumgeschlagen, wie man's auch dem Blödsten beibiegen kann, während ich mit dem Rad zur Arbeit fuhr. Dabei wurde ich nicht nur von einem Regenschauer durchweicht, sondern kreuzte die Straße bei roter Ampel, erst weit hinten das nächste Auto, ich gut im Flow, also rüber, und eine Sekunde später mitten auf der Straße erkannte ich bereits, dass es ein Polizeiwagen war. Ich rein in die kleine Straße, und schon am visionieren, ob ich schnell die Hofeinfahrt nehmen soll, dann wäre ich weg, weil sie ja erst hintenrum fahren müssten, und in der Zeit hätte ich das Rad irgendwo hingeworfen und wäre ins Haus geschlüpft und hätte mich im Klo versteckt, falls sie mich in den Fluren festzunehmen suchten. Vielleicht ist es ihnen auch egal, Leute fahren ja dauernd bei rot. War's ihnen aber nicht, sah ich im Augenwinkel, und statt zu flüchten fuhr ich langsamer, damit sie mich beim Kreuzen nicht auch noch überfahren. Dann standen wir da so rum und taten, was getan werden musste, Ausweis raus, und ob ich nicht, und sie müssten doch, und würden jetzt. Formular bis zum Durchschlag unterschrieben, ich gab alles zu, zum Leugnen war meine Tat zu offensichtlich und der weiblichen Kollegin schon fast peinlich, dass sie mich erwischt hatten, so cool war ich.
So, und damit ist karma auch schon erklärt, liebe Kinder, es hätte nicht einfacher sein können: Das eine ist eine Folge des anderen, manchmal folgt es früher, manchmal später. In diesem Fall praktisch sofort. 45 Euro und einen Punkt in, äh, Flensburg.



Mittwoch, 9. April 2014
¶ Blini?
Klingt. Wie etwas, das ich gut kenne. Ich hab Tage mit der Entdeckung zugebracht, dass ich mich gar nicht verstecken kann. Kommt alles von diesen Schuldgefühlen. So als könnte ich einer Strafe entkommen, wenn ich mich im Gewühl der Welt verlöre, so als könnte mich niemand sehen, wenn ich nur die Augen zumachte. Mich klein machte und unauffällig. Dazu noch mit dem Strom schwimmen, einem Strom von flüssiger Scheiße. Alles stinkt. Ja, das ganze dann mit ein paar Kraftausdrücken spicken und fertig.
So jetzt mal – da muss doch sprachlich nochwas rauszuholen sein. Eine Ungeduld steckte in ihr, nicht nur ich. Und in mir auch, nervöse Geister, die mehr wollten. Was sie wollte, wusste ich nicht, aber für mich zählte nur eines: mich von Kram befreien, befreit sein, free. Tief im Innern wusste ich, ich würde über Leichen gehen, Loyalität war für mich ein überstrapazierter Begriff aus einer vergangenen Zeit, den 60ern vielleicht. Wo alle so schlau taten, aber das Unheil seinen Lauf nahm und anfing über meinem Kopf zu schweben, als wäre ich allein Schuld an allem. Diese Schuld-Idee hatte mich ewig lange getragen, manchmal quälen mich noch Bilder von Ungerechtigkeit und Leid. Aber ich kann nicht mehr tun, als hier sein und in Frieden.
Von hier aus ist alles friedlich. Soweit. Von draußen schweben Geräusche zu mir, schön in Stereo, ziemlich echt das alles. Ich vergleiche meine Träume mit Realem, es ist nicht mal so, dass die Träume weniger Details aufwiesen, sondern eher mehr. Wenn ich davon ausgehe, dass dies mein eigener Film ist, kann ich nur staunen wie echt das alles wirkt. Und so sind Leben und Traum aus der gleichen Realität gewoben, ein großes Laken drumrum, alles draufprojeziert, alles mit Sinnen erfahrbar. Man könnte das Höhlengleichnis strapazieren. Das ist wirklich irre, wenn man's erstmal geschnallt hat.
Vorausgesetzt du konzentrierst dich, kannst du dich in jeden Film reinspielen. Und wieder raus. Das ist das, was wir die ganze Zeit sowieso machen. Mitspielen. Und darüber vergessen, dass es ein Film ist. Das passiert besonders, wenn man glaubt zu lieben, und anfängt, sich in diesem Gefühl einzurichten. Auch 'ne Art, sich zu verstecken. In einem Dickicht von Schamhaar sozusagen. (Worüber sich jederzeit einiges sagen ließe.)