Erleuchtung, Sex und Träume: Alles, bloß nicht kochen.
Donnerstag, 22. Mai 2014
¶ zwei
Ich bin noch nicht frei von Gedanken an sie. Viel zu viele Orte sind besucht, viel zu vielen Stimmungen waren wir ausgesetzt gewesen, das meiste ist gesagt worden, zumindest von meiner Seite. Immer noch binden sich Bilder an mich, wie sie neben, auf, unter mir liegt, wie sie lacht, spricht, weint, schweigt, an meiner Seite geht durch die unvergessene Stadt oder über unwegsames Gelände, oder schwimmt, Bahn für Bahn, Stein für Stein, dabeisitzt wenn ich arbeite, oder ich, wenn sie arbeitet, wie wir beide arbeiten, wie sie mich beobachtet beim Kochen, Abwaschen, Basteln. Oder ich sie.
Wir waren außerordentlich auch in den kleinen Dingen.
Und doch gibt es keinen Grund für ein Wiederholen.
Ich stelle mir oft vor, dass ich mich selbst beim Einschlafen beobachte. So als wäre ich zwei. Und diese zwei wären welche (aber nicht wir).
Allein geht es besser. Das ist begreifbar.



Mittwoch, 16. April 2014
¶ Damals
Der Geist ist jetzt still. Da ist nicht mehr viel, an das sich meine Gedanken verschwenden. Obwohl ich, seit ich hier schreibe, wieder öfters an sie denke und an Einzelheiten ihres Körpers. Eckig mit warmer Haut und voller Lust und berührenden Zeichen des Alterns. Ich begehrte sie, gestand ich, als sie mich anschrie, was denn überhaupt mir noch Gefühle abringen könnte. Es war ein Missverständnis, ich konnte nicht über Gefühle reden, weil mir der Unterschied zwischen beiden, Gefühl und Verstand nicht klar war. Fühlen war das eine, sobald ich aber Worte dafür finden wollte, wurden sie durch genau diese Suche zu einer Sache des Verstandes. Ich selbst begreife das erst jetzt, wie hätte ich ihr das klarmachen können?
Ich war schon damals an jener Schwelle, die sich durch die Frage abzeichnet: Wer fühlt? Wer denkt? Wenn du dich zur Antwort zu bewegen suchst, findest du, dass da niemand ist. Sicher, da ist ein Körper, in dem sich alle Erfahrung zu sammeln scheint. Dieses Konglomerat an Bewusstsein ist wohl zu stark, um darüber hinwegzukommen und zu gehen.
Während unseres letzten gemeinsamen Wochenendes lag ich mit Fieber im Bett und sie las mir Stunden aus einem Buch vor, es war eines von ihren, ich hab‘s vergessen, eine Erzählung von einem realen Abenteuer oder so. Es war warm und behaglich um uns, und ab und zu döste ich ein, während sie weiter und weiter las. Ich glaube, sie schaffte fast das ganze Buch an diesem Wochenende.
Das letzte was ich von ihr sah, war ihr vermummter Körper mit dem Rucksack, ich pfiff ihr hinterher, aus dem Fenster runter, aber sie hörte mich nicht unter der Kapuze, sondern konzentrierte sich auf ihre Schritte auf dem vereisten Weg. Das nächste was ich hörte: „Ich möchte das mit uns gern beenden.“ Ich meinte mich verhört zu haben, und so fragte ich nach, und sie wiederholte es nach einem kurzen Zögern.
Ich weiß nicht, ob es mir weh tat. Aber sie fehlte mir.
Und Liebe?
Liebe ist was ganz anderes.



Dienstag, 8. April 2014
Ich wollte erst Ficktion titeln, aber das wäre wohl etwas blöd. Aber gut, beschlossen zu haben, dass das, was ich schreibe, nicht zwanghaft real sein muss. Ob es wahr ist, ist eine andere Sache. Was anderes als die Wahrheit kann ich sowieso nicht.
Die Verzweiflung jedenfalls, die sie manchmal erfasste, schien echt. Sie begann, mir Vorwürfe zu machen, aber darauf reagierte ich nicht. Ich konnte gar nicht. Vielleicht war ich der Auslöser ihrer Dramen, aber bestimmt nicht der Grund. Wir waren damals beide nicht besonders klar im Kopf, das Sexuelle beraubte uns jeder Unterscheidungsfähigkeit. Ich verstand nicht, warum dauernd so'n Unheil über uns schwebte und fand ihr Verhalten kindisch. Dann wieder war sie äußerst weitsichtig und hielt mir Vorträge über die Art unserer Beziehung. Sex, Freiheit, Nähe, Freundschaft. Aber das Rerede und Geficke laugte uns komplett aus und am Ende trennten wir uns, oder sie sich, jedenfalls war ich halbfroh, dass es vorbei war. Schade um den schönen Sex. (Wer schrieb das noch.) Seltsam, wenn zwei Leute sich gegenseitig schade sagen.
Es gab eine Zeit, schon wieder dieser Satzanfang, da ich ein Kind war. Obwohl etwas ängstlich, bewegte ich mich in der Welt, als wäre sie die Meine. So ohne Trennungsgefühl, das kam später. Es hielt eine Weile an, Jahrzehnte, und jetzt ist es wieder fort.
Jetzt durchschaue ich all meine Trennungen. Sie sind nichts weiter als ein Umstand der Vergänglichkeit. Solange es etwas gibt, vergeht es auch wieder. Das ist teils bedauerlich, oft aber auch JUCHHU, endlich vorbei. Ich hätte niemals geglaubt, dass ich das jemals begreifen würde. Ein Satz mit niemals und jemals.